Sell in May and go away?

Nicht Börsenregeln, sondern der Markt bestimmt
Vor allem aber halten sich heute Fiskal- und Geldpolitik nicht mehr zurück. Aus Schiedsrichtern sind die eigentlichen Spielmacher an den Börsen geworden. Egal, ob Immobilien-, Finanz-, Schulden- und Bankenkrise, ob Brexit, Handelskrieg oder die Euro-Rettung, mittlerweile muss die Politik Eigentore und Niederlagen nicht nur saisonal, sondern an 365 Tagen im Jahr verhindern. Auch in der heißen Jahreszeit ist die Rettungspolitik nicht im Lockdown, was die Finanzmärkte stützt.
Ja, im Sommerloch 2015 wurde die Griechenland-Krise gelöst, was dem DAX anschließend ein Plus von 20 Prozent bescherte. Oder 2022: Angesichts der üppigen staatlichen und geldpolitischen Corona-Hilfsaktionen nahm die Aktienmarktrallye im Mai des Jahres erst richtig Fahrt auf. Sehr schade, wenn man die Mai-Regel befolgt hätte.
Und, könnte sich die Börsenregel in diesem Jahr bewahrheiten? Weder die Geldpolitik in den USA noch Europa werden eine knallharte Inflationsbekämpfung betreiben wie es ihre knallharte Rhetorik vermuten lässt. Die Wahrheit ist doch, dass die Finanzierung der Überschuldung, des grünen Wirtschaftsumbaus, der Digitalisierung, der Aufrüstung sowie der Glättung der Konjunktur- und sozialen Risiken infolge des Ukraine-Kriegs keine radikale geldpolitische Schubumkehr zulassen, ohne die Büchse der Pandora zu öffnen. Hier passt das frühere Motto eines bekannten Elektronikhändlers auch zu einem Geldpolitiker: „Ich bin doch nicht blöd“.
Sowieso ist denkbar, dass sich im Sommer allmählich ein Inflationsgipfel einstellt. Die Inflations-Überraschungen in den USA geben im positiven Sinne bereits nach. Das verringert die Angst am Aktienmarkt vor im Sommerloch übertriebenen Zinserhöhungen durch die Fed.
Grafik: Inflations-Überraschungs-Index Inflation USA und US-Notenbankzins
.jpg)
Aber auch Unangenehmes kann passieren. Die große Unbekannte ist die Kriegsentwicklung in der Ukraine mit all ihren Konsequenzen für Energieversorgung und -preise.
Es gibt also grundsätzlich keine Gewissheit, wie sich die Börsen ab Mai entwickeln.
Doch selbst, wenn es hart auf hart kommt, gibt es keine Sippenhaft bei Aktien, die entweder alles kollektiv nach oben oder nach unten treibt. Der Aktienmarkt ist heutzutage ein großer Kleiderschrank: Irgendetwas passt doch immer. Mal Value, dann Growth, mal IT-Werte, dann wieder Zykliker, dann die Defensivqualitäten, mal die klassischen Energiewerte, dann die Umwelt- und alternativen Energietitel. Damit zerbröselt die absolut formulierte Mai-Regel noch mehr.
Überhaupt, in diesem Jahr haben die Aktienmärkte keinen Speck auf den Rippen, an denen sich die Anleger jetzt in Form von Verkäufen laben könnten.
An der Börse wird nicht Vergangenheit, sondern Zukunft gehandelt
Und selbst wenn im Sommer die Kurse fielen, ist das ja kein Grund, dem Aktienmarkt fernzubleiben. Gerade sinkende Kurse sind doch ein attraktives Umfeld für regelmäßiges Aktiensparen als attraktive Form der langfristigen Altersvorsorge. Eine Waschmaschine kauft man ja auch am liebsten günstig. Im Einkauf liegt der Gewinn. Wenn das mal keine wirklich goldene Börsenregel ist.
Dagegen passt zur Mai-Regel eine Aussage, die man nach jeder Wertpapierempfehlung liest: Vergangene Kursbewegungen sind keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Hinterlasse einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Wir freuen uns über ihren Beitrag !